Orangen-Kardamom-Flan

Köstlicher letzter Genuss im Jahr 2014 


Nein, es waren keine Kartoffelchips, keine Salzstangen und auch keine Erdnüsse. Das letzte, was ich im Jahr 2014 gegessen habe, war dieser köstliche Orangen-Kardamom-Flan - nach einem Rezept von David Lebovitz. Den englischsptrachigen Blog des in Paris lebenden Profi-Süßschnabels verfolge ich schon seit sehr langer Zeit, weil Lebovitz eine unterhaltsame und herrlich unkomplizierte Art hat, sein Können und Wissen an andere weiterzugeben. 

Das Rezept, in das ich mich diesmal verguckt hatte, stammt aus Lebovitz' - ebenfalls englischsprachigen - Buch "Ready for Dessert": "Orange-Cardamom-Flan". Dummerweise ist ein richtiger Flan nicht ohne Karamell zu haben. Und vor der Herstellung von Karamell habe ich mich in den Jahrzehnten meiner Koch- und Backpraxis immer gern gedrückt - obwohl ich das Aroma liebe. Irgendwie waren der Karamell und ich zubereitungsrechnisch nie die dicksten Freunde. Bis gestern. Und diese neue Freundschaft verdanke ich David Lebovitz.


Ich las mir seine Anleitung zum Karamellisieren ("Caramelization Guidelines") durch. Und war zunächst erschrocken und dann hochgradig neugierig. 

Erschrocken, weil er darin schreibt, Rohrohrzucker eigne sich nicht zum Karamellisieren, da er Verunreinigungen enthalte, die den flüssigen Zucker immer wieder zurück zur Kristallisation verleiten würden. Bis ich dann rausgefunden habe, dass "raw cane sugar" wohl nicht unseren Rohrohrzucker meint. Die richtige Bezeichnung wäre "evaporated cane sugar". Puh.

Neugierig, weil er in einer bestimmten Phase der Karamellzubereitung (um die Re-Kristallisation zu verhindern) "a pinch of cream of tartar or a few drops of lemon juice" zufügt. Wie bitte? Eine Messerspitze Frischkäse? Dachte ich zunächst. Aber falsch gedacht: Bei "cream of tartar" handelt es sich laut Wikipedia nicht um eine Art von Frischkäse sondern um Weinstein. Aha. Weinstein hätte ich eventuell finden können, wenn ich unseren Rotweinvorrat daraufhin untersucht hätte. Aber Zitronensaft sollte ja auch möglich sein. Und den hatte ich natürlich. Und was soll ich sagen? Keine Karamellklumpen, die mühsam erst wieder flüssig gerührt werden müssen - die Karamellherstellung gelang perfekt! (Die scheinbaren Unregelmäßigkeiten im Karamell auf den Fotos stammen vom Kardamom, der sich auf dem Boden der Formen gesammelt hat.) 

Verändert habe ich das Rezept nicht nur durch die Verwendung von Rohrohrzucker sondern auch durch die ausschließliche Verwendung von ganzen Eiern statt Eiern plus Eigelb. Die Rezepte, in denen reines Eigelb "vorgeschrieben" ist, entstehen ja hauptsächlich durch Profi-Köche oder -Patisseure - und diese brauchen immer eine Möglichkeit, ihre überzähligen Eigelbe sinnvoll zu verarbeiten. Meringue, Macarons oder Baiser gehen eben nur mit reinem Eiweiß. In unseren Hobbyküchen aber sollten wir die Verwendung von reinem Eigelb davon abhängig machen, ob wir parallel auch die Eiweiße sinnvoll verwenden können. Ansonsten können wir genauso gut ganze Eier verarbeiten - mir ist jedenfalls noch jedes Rezept bestens gelungen, auch wenn ich mich über die "Eigelb-Verordnung" hinweggesetzt habe.

Orangen-Kardamom-Flan

ergibt 4 Portionen

1/2 gestr. TL Kardamomsamen

im Mörser fein zermahlen.
250 ml Vollmilchmit dem Kardamom, der frisch abgeriebenen 
Schale 1/2 Bio-Orangesowie
50 g Rohrohrzucker in einem Topf verrühren und erwärmen, bis sich der Zucker aufgelöst hat. Topf von der Herdplatte nehmen und beiseite stellen.

Vier Ramekin- oder Soufflé-Förmchen in eine Bratreine oder ein tiefes Backblech setzen. 

Für den Karamell
50 g Rohrohrzuckergleichmäßig auf den Boden einer kleinen schweren Pfanne (ich verwende dazu eine weiß emaillierte Eisenpfanne) streuen und mit
20 ml Wasser"befeuchten" (nicht rühren, aber der Zucker sollte vollständig nass sein). Die Pfanne auf den Herd stellen und bei mittlerer Hitze ohne zu rühren solange erwärmen, bis der Zucker vollständig gelöst ist. Eventuell die Pfanne zwischendurch ein wenig rütteln, damit sich der Zucker gleichmäßig auflöst.
Sobald der Zucker gelöst ist, ca. 
1/2 TL Zitronensaftin der Zuckerlösung verteilen (nicht rühren!). Nun die Masse solange weiter erhitzen, bis sich der Zucker appetitlich braun verfärbt - dabei eventuell ab und zu die Pfanne wieder etwas rütteln, aber nicht rühren. Sobald der Zucker schön karamellfarben ist (was man in einer weißen Pfanne besonders gut sehen kann), die Pfanne vom Herd nehmen und auf eine hitzebeständige Unterlage stellen. Nun erneut
20 ml (zimmerwarmes) Wasserangießen und dabei rühren (Vorsicht, die Masse brodelt und zischt zunächst). Nun solange rühren, bis ein glatter Sirup entstanden ist.
Den Karamellsirup zügig auf die vier Förmchen verteilen und durch Schwenken auf dem Boden und den Rändern (im unteren Drittel) verteilen. Da der Karamell relativ schnell fest wird, kann das Schwenken bei Förmchen Nr. 3 und 4 schon schwierig sein - dann die Masse mit einem Löffel am Rand hochziehen. Alternativ kann man auch vor der Karamellbereitung etwas warmes Wasser in die Bratreine gießen, damit die Formen den Karamell nicht so schnell abkühlen.

Den Backofen auf 160 °C vorheizen.

Für die Creme die Milch wieder etwas erwärmen. In einer größeren Schüssel
2 Eier (Größe M) mit Hilfe einer Gabel miteinander verschlagen. Die Milch in dünnem Strahl dazugießen und dabei mit der Gabel unter die Eiermasse ziehen (nicht zu stark schlagen, damit möglichst wenig Luftbläschen erzeugt werden). Die Eiermilch nun durch ein Sieb in einen Messbecher oder eine Schüssel mit Ausgießer füllen und anschließend gleichmäßig in die Förmchen auf den Karamell gießen.
Die Bratreine mit warmem Wasser füllen, bis die Förmchen etwa zur Hälfte im Wasser stehen, mit dem passenden Deckel oder Alufolie verschließen und auf die unterste Schiene des vorgeheizten Backofens stellen. Bei 160 °C etwa 60 min garen. (Im Originalrezept sollte dieser Vorgang nur 25-35 min dauern, das war bei mir eindeutig zu wenig - es schadet aber dem Flan nicht, wenn er nach einer halben Stunde Garzeit mal begutachtet wird.)

Wenn der Flan fest ist, die Formen aus dem Ofen nehmen, auf einem Gitter auskühlen lassen und für mindestens zwei Stunden in den Kühlschrank stellen. Zum Stürzen mit einer flachen Messerklinge am Rand der Förmchen entlangfahren und die Creme lösen. Einen Teller auf das jeweilige Förmchen setzen und das Ganze umdrehen. Sollte sich der Flan dann nicht lösen, das Förmchen leicht anheben und die Creme an einer Seite vorsichtig mit dem Messer Richtung Mitte schieben. Sie sollte sich dann problemlos lösen lassen (hat bei mir mit dieser Methode bei allen vier Förmchen geklappt).

Guten Appetit!


Weitere Rezepte für Desserts

Kommentare

  1. Frohes neues Jahr erst einmal! Das ist auf jeden Fall ein würdigerer Jahresausklangbissen als ein Kartoffelchip (brr, die kann ich schon lange nicht mehr ausstehen). Mit Karamell hatte ich zwar noch nie ein Problem, aber ich habe deine Recherche gespannt verfolgt. :-)
    Und ich kann nur sagen, dass bei unserer Backerei meist Eiweiß übrig bleibt, was aber nicht schlimm ist, da es sich im Kühlschrank eine Woche hält und auch gut eingefroren werden kann (im Gegensatz zum Eigelb. In der Spitzen-Patisserie verwendet man übrigens oft kein "rohes" Ei mehr, sondern Eipulver.
    Liebe Grüße,
    Eva

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Liebe Eva, auch dir ein frohes und kulinarisch ereignisreiches Jahr 2015! Besten Dank für deinen Kommentar - der mich dazu angeregt hat, endlich mal wieder etwas Neues auf meiner Seite "KochArt" zu schreiben ;-)

      Eine Bemerkung, die dort nicht hinpasst, kann ich mir hier aber nicht verkneifen: Als Ausdruck von "Spitzen-Patisserie" kann ich die Verwendung von Eipulver irgendwie nicht betrachten. Spitze sind für mich Köchinnen, Bäcker/innen und Patisseure, wenn sie es verstehen, möglichst ohne denaturierte Hilfsmittel auszukommen - weil sie ganzheitlich arbeiten. Mir ist bewusst, dass ich mich hier gerade auf Glatteis begebe: Das von mir ab und zu verwendete Backpulver oder die Maisstärke in meiner Küche gehören auch nicht gerade zu den "Spitzen-"Zutaten.

      Die Verwendung von Eipulver hat den Zweck (neben der einfacheren Vorratshaltung), einen individuellen Kochvorgang in eine Art industriellen Vorgang zu verwandeln. Gerade "Spitzen-"Patisseure stellen in ihren Restaurants in der Regel ja nicht jedes Dessert oder jede Torte selbst her. Und damit deren Angestellte in der Küche die Rezepte der Chefs exakt nacharbeiten können (kreativ sein sollen sie ja gerade nicht), braucht es jederzeit genauestens reproduzierbare Ergebnisse - und da ist Eipulver wegen der gramm-genauen Dosierung gegenüber Frischeiern sicher im Vorteil.

      Liebe Grüße
      Antje

      Löschen
  2. Moin zusammen, kleiner Hinweis zum Thema Eipulver: Ich habe letzes Jahr bei einem sehr engagierten Patisseur in einem sehr guten Hotel eine Veranstaltung zum Thema Speiseeis besucht. Da hatten wir alle drei Möglichkeiten zur Verfügung: Frische Eier, Eipulver und pasteurisierte Eier aus dem Tetrapack. Ich habe ausführlich mit ihm die Verwendung von Pulver und „Papp-Eiern“ besprochen. Er nutzt privat natürlich auch frische Eier, und zwar ganze. In der Gastronomie (egal ob Spitze oder Pommesbude) habe die Nutzung von trockenem oder pasteurisiertem Material seiner Auskunft nach ausschließlich hygienische Gründe. Es gäbe kaum eine andere Möglichkeit, sich gegen mögliche Vorwürfe hinsichtlich Salmonellen zu schützen, unabhängig davon, ob eine Infektion tatsächlich etwas mit seinen Speisen zu tun habe. Im Falle eines Falles müsse man beweisen können, dass man als Quelle nicht in Frage komme. Deshalb die grundsätzliche Entscheidung bei ihm und vielen seiner KollegInnen für sterile Rohstoffe speziell bei Speisen wie zum Beispiel Eis, bei deren Herstellung eine zuverlässige Abtötung von Keimen nicht gewährleistet werden kann.
    LG, Carsten.

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Oh, tausend Dank für deinen Kommentar - an hygienische Aspekte hatte ich gar nicht gedacht. Das ist aus Sicht der Gastronomie ein Argument, das ich gut nachvollziehen kann. Aber ich bin ja beruhigt, dass der Profi privat auch frische Eier verwendet - mir ist ein wenig bange, wenn ich sehe, dass viele Menschen aus Angst vor Keimen ihren Alltag zunehmend sterilisieren und sich dann wundern, wenn sie bzw. deren Kinder keine Abwehrkräfte mehr entwickeln und dann an einfachen Infekten schwer erkranken...
      Liebe Grüße,
      Antje

      Löschen
  3. Jetzt habe ich Appetit bekommen! Danke für die Anleitung zum Karamellisieren und Flanieren. Wird schleunigst nachgemacht. :-)

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Ein schönes Kompliment. Danke! Und der Ausdruck "Flanieren" in diesem Zusammenhang gefällt mir sehr ;-)

      Löschen

Kommentar veröffentlichen

Hinweis für Leser/innen, die hier kommentieren möchten, ohne sich vorher irgendwo anmelden zu müssen: Bitte die Option "Anonym" verwenden und dann den Kommentar trotzdem gern mit (Vor-)Namen "unterschreiben". Besten Dank.