Wirsingrouladen mit lila Reisfüllung und Meerrettichsauce


Kohlrouladen gehören nicht unbedingt zu meinen liebsten Kindheitserinnerungen. Das hat aber wohl in erster Linie mit dem damals in der Wohnung wabernden Geruch zu tun - die Kochkünste meiner Mutter jedenfalls sind über jeden Verdacht erhaben. Als ich dann in meiner Studienzeit für mich alleine kochen durfte, gehörten Kohlrouladen deshalb erstmal nicht auf meinen Speiseplan - war auch sowieso nicht nötig, denn in der Mensa gab es ja ab und zu welche (die wiederum meine Lust auf Kohlrouladen nicht steigerten).

Später dann - vor ziemlich genau 30 Jahren - war ich begeistert damit beschäftigt, mich in meinem neuen Dasein als Vollwert-Vegetarierin einzurichten. Ich hatte viel zu lernen, auszuprobieren, weiterzuentwickeln und neu zu kreieren - Kohlrouladen waren kein Bestandteil dieser Experimentierphase. Und dann habe ich so viel Neues entdeckt - und tue das immer noch -, dass ich zu keiner Zeit auch nur daran dachte, den Rouladen eine vegetarische Chance zu geben. Ich hatte dieses Gericht einfach nicht mehr auf dem Zettel. 


Seit vorgestern stehen sie wieder drauf. Und das verdanke ich - wie so oft in meiner Küche - einer Verkettung glücklicher Umstände: 1. beziehe ich wöchentlich eine Bio-Gemüsekiste und in einer dieser Überraschungskisten steckte ein stattlicher Kopf Wirsingkohl. 2. hatte ich gar keine Zeit, den Kohl zeitnah zu verarbeiten - also überlegte ich, ihn einzufrieren. Ich wollte ihn gerade (in Erwartung einer späteren Verwendung in einem Wok-Gericht) in Streifen schneiden, als mir 3. die makellosen großen Blätter plötzlich viel zu schade zum Kleinschnippeln schienen und vor meinem geistigen Auge eine Kohlroulade auftauchte. 4. bin ich dann - ohne an meiner Idee auch nur den geringsten Zweifel zu hegen - davon ausgegangen, dass im Ganzen eingefrorene und wieder aufgetaute Wirsingblätter eigentlich so labberig sein müssten, dass sie sich zum Einwickeln einer leckeren Füllung eignen würden. Also griff ich zu meinem Messer und schnitt die dicken Stielansätze so flach wie möglich, stapelte die größten Blätter in einem Gefrierbeutel locker aufeinander und verfrachtete sie in den Gefrierschrank. Der Rest wurde dann - wie ursprünglich beabsichtigt - als mundgerechte Streifen separat in den Kälteschlaf versetzt.

Die Idee war ein Volltreffer. Die aufgetauten Wirsingblätter eigneten sich tatsächlich und ohne Widerstand bestens als Verpackungsmaterial für meine lila Reisfüllung. Lila? Ja, irgendwie wirkte die Mischung aus rotem und schwarzem Reis leicht violett. Aber da die Farbe Lila auf unserem Teller ja dank der violetten Kartoffelsorten inzwischen salonfähig geworden ist, schadet der dezente Unterton meiner Reisfüllung dem Genuss absolut nicht. 

Übrigens habe ich die Rouladen zum Garen ganz altmodisch mit einem Leinenzwirn umgarnt - hat bestens funktioniert, auch beim Auswickeln blieben die Päckchen stabil. Und trotz ohne Dunstabzugshaube war in meinem Häuschen kein Kohlgeruch zu beklagen - vielleicht auch, weil ich die Wirsingblätter ja vor der Verarbeitung nicht zu blanchieren brauchte. So einfach waren Kohlrouladen noch nie. Ich freue mich schon auf den nächsten Wirsingkopf - denn in Kombination mit der frischen Meerrettichsauce ist das auch ein wunderbares Sommergericht.



Wirsingrouladen mit Reisfüllung und Meerrettichsauce

ergibt 8 Stück

Für die Füllung
je 75 g roten und 75 g schwarzen Reis
mischen, mit Wasser bedecken (etwa fingerbreit über dem Reis), salzen und aufkochen. Hitze reduzieren und den Reis sanft garen (kann je nach Sorte 30 - 60 min dauern, die Kochzeit verkürzt sich, wenn der Reis vorher einige Stunden oder über Nacht einweichen durfte). Gegarten Reis abkühlen lassen.
1 gelbe Paprikaschote
waschen, halbieren, von den Kernen befreien und in Würfel (ca. 5 x 5 mm) schneiden.
1 kleine Zwiebel
würfeln.
1 Knoblauchzehe
(wenn gewünscht) sehr fein würfeln. Paprika, Zwiebel und Knoblauchzehe zusammen mit
1 geh. EL feinst gewürfeltem Suppengemüse

(alternativ: Gemüsepulver, dieses erst später zugeben, s.u.) in
1-2 EL Olivenöl
in einer Pfanne dünsten, bis die Zwiebeln glasig sind. Bei Verwendung von Gemüsepulver dieses nun zum Gemüse in die Pfanne geben und kurz anrösten. Gemüse zusammen mit
1 Ei
unter den Reis mischen. Die Füllung kräftig mit
Salz (evtl. Kräutersalz)
abschmecken.



Für die Rouladen
8 große Wirsingblätter
(entweder tiefgefroren und wieder aufgetaut, siehe Text oben., oder in kochendem Wasser blanchiert) nacheinander auf ein Küchenbrett legen und je einen gehäuften EL Füllung auf das untere Drittel des Blatts legen (mindestens 2 cm Abstand zum unteren Rand und 5 cm zu den Seitenrändern lassen), bis zur Hälfte aufrollen, dann die Seiten zur Mitte hin umschlagen und alles komplett aufrollen. Das Päckchen ein paar Mal mit Küchengarn umwickeln (ich hatte nur dünnes Leinengarn, besser ist das spezielle Küchengarn, das es so hübsch z.B. in rot-weiß gedreht gibt), die Garnenden verknoten.

Wenn alle Rollen geformt sind, in einer großen Pfanne (die einen passenden Deckel besitzt)
etwas Bratöl
erhitzen und die Kohlrouladen darin von beiden Seiten anbraten.
ca. 100 ml gesalzenes Wasser
angießen, Hitze reduzieren, Deckel aufsetzen und alles gar schmoren (dauert mindestens 30 min). Ab und zu kontrollieren, ob noch genügend Flüssigkeit in der Pfanne ist, evtl. etwas heißes Wasser nachgießen.



Für die Sauce
250 g Magerquark
mit
1 Becher saure Sahne
glattrühren (sollte die Konsistenz nicht flüssig genug sein, etwas Milch zugeben).
ca. 5 cm Meerrettichwurzel
(Menge richtet sich nach gewünschter Schärfe) schälen und sehr fein reiben. Zusammen mit
ca. 1 gestr. TL  abgeriebener Zitronenschale,
Salz nach Geschmack und einem fruchtigen Pfeffer* oder Rosa Beeren




unterrühren. Abschmecken.

Die fertig gegarten Rouladen vom Küchengarn befreien (oder dieses jedem selbst überlassen) und zusammen mit der Meerrettichsauce servieren.

Guten Appetit!




Bezugsquellen* (Lebensmittel immer in Bio-Qualität)
* bei der Angabe meiner Bezugsquellen handelt es sich nicht um bezahlte oder sonstwie vergütete Werbung


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