Brombeer-Schnitten "Pure Waldeslust"


Ja, ich gestehe: Wenn ich allein esse, dann lese oder blättere ich manchmal nebenbei in einer Zeitschrift - aber nur, wenn das Wetter so trübe ist, dass meine Blicke vom Essplatz auf meinen Garten partout nicht schweifen wollen und meinem kulinarischen Genuss daher auch nichts hinzuzufügen haben. 

So also las ich heute (parallel zum würdigenden Verspeisen der letzten Brombeer-Schnitte) in meinem Lieblingswirtschaftsmagazin den folgenden Satz: "Nur wer die Kunst der Improvisation beherrscht, kann zum Virtuosen werden." In dem Artikel, dessen Schlusssatz diese Weisheit bildete, ging es zwar um die "Wissenschaft vom Verhandeln" - er passt aber ja hervorragend auch zur Wissenschaft des Kochens. Ich leite daraus ab: Nur wer sich ständig in der Improvisation übt, kann irgendwann auch virtuos kochen. Meine Erfahrung ist jedenfalls, dass nur das Improvisieren mit seinen zwangsläufigen aber auch notwendigen Miss- oder Ganz-anders-als-geplant-Erfolgen das Gespür für Mögliches/Unmögliches, Passendes/Unpassendes, Interessantes/Langweiliges, ... heranbilden kann. Mit diesen Gedanken habe ich nun quasi eine nachträgliche Ergänzung zu meinem vor einiger Zeit veröffentlichten Beitrag "Jazz in der Küche oder was Kochen mit Musik zu tun hat" geschrieben. Es tut doch gut zu sehen, wie die eigenen Ideen sich bestätigen und weiterentwickeln.

Und wie könnte es anders sein? Selbstverständlich habe ich auch für mein heutiges Rezept wieder wild drauflos improvisiert. Herausgekommen ist ein leckerer Brombeerkuchen mit extrem hohem Fruchtanteil, der mich deshalb süchtig machen könnte - wenn er denn beliebig oft wiederholbar wäre. Ist er aber nicht. Denn: Die Hauptzutat ist ein Püree aus selbstgesammelten Brombeeren. Und die Saison ist fast zuende. Zwei Portionen Püree habe ich zwar vorsorglich eingekocht, aber wenn ich die verbacken habe, dann ist erstmal Schluss mit Brombeeren. Bis zum nächsten Herbst. Und wer weiß, wie die Ernte dann ausfällt. In diesem Jahr gabs reichlich Brom- dafür so gut wie keine Himbeeren. Vielleicht ist es nächstes Mal umgekehrt? Allerdings lechze ich danach, diesen Kuchen auch mit Himbeeren zu versuchen...

Jetzt aber erstmal zu den Brombeeren. Die Ernte hatte so gar nichts von Mühsal (die sich bei diesem Thema durch meine Kindheitserinnerungen zieht). Sobald ich den Waldrand erreicht hatte, boten sich mir so viele Früchte, dass deren Fehlen nach meiner Ernte wahrscheinlich gar niemandem auffällt. So wie auch ich mich gewundert habe, dass die überall eindeutig von Menschenfuß - ich nehme an zum Zwecke des Brombeersammelns - heruntergetretenen Zweige keine für mich sichtbaren Leerstellen hinterlassen hatten. Erstaunlich. Die Ernte war also kinderleicht - wenn ich mal davon absehe, dass sich die Brombeerranken neben ihren eigenen ziemlich pieksigen Waffen ab und zu Verstärkung organisiert hatten: 
- Brennesseln waren oft so geschickt mit den Ranken verbandelt, dass ich sie erst bemerkte, als es auf der Haut ordentlich zwiebelte.
- Die schönsten und dicksten Früchte saßen an den Spitzen der Ranken, die in einen doppelt pieksigen Nadelbaum geklettert waren.
- Eine sehr hartnäckige Wespe leistete den Brombeeren Schützenhilfe, indem sie großzügig auf das überreiche Angebot überreifer Früchte an den Zweigen verzichtete und stattdessen irgendwie an meine brombeersaftbeschmierten Fingerchen zu kommen versuchte. Da halfen nur vorübergehender Verzicht, provisorisches Reinigen der Finger im feuchten Gras und die Zuversicht, dass die Wespe es ja gar nicht auf mich persönlich abgesehen hatte. Hatte sie auch nicht und alles war schnell wieder gut.


Die Idee zu diesem Kuchen ist entstanden, als ich meiner Nachbarin zum Dank für zwei Eimer rote Johannisbeeren einen Kuchen backen wollte und ich sie sicherheitshalber vorher fragte, ob sie Johannisbeerkuchen möge? Sie zögerte kurz und fragte zurück: "Mit Kernen?" Geistesgegenwärtig antwortete ich: "Na klar. Ohne Kerne!" Und ich erfand einen spitzenmäßigen Kuchen mit Johannisbeerpüree ohne Kerne - das Spitzenmaß wurde bestätigt von der Nachbarin nebst Gatten und Enkeltochter sowie den Gästen eines mir nahestehenden Geburtstagskinds, das ich ebenfalls mit diesem Kuchen beglückt hatte (wenn ich dazu komme, poste ich das Rezept auch irgendwann - es ist etwas zeitaufwändiger).


Das Bestechende an dem Püree-Kuchen war der unschlagbar naturreine intensive Fruchtgeschmack. Diesen Auftritt wollte ich also auch den Brombeeren gönnen. Weil ich meinen Kuchen aber dieses Mal mit etwas weniger Aufwand basteln wollte, sind eben die folgenden Brombeerschnitten entstanden. 
Oh, beinahe hätte ich vergessen, noch eine wichtige Inspirationsquelle zu nennen: In der "LECKER Bakery" (N°1/2013, S.14) entdeckte ich "Pink Lemon Squares" - Fruchtriegel aus pürierten Erdbeeren und Zitronensaft auf Mürbeteig. Das ist sozusagen das Grundprinzip meiner Brombeerschnitten.


Brombeerschnitten "Pure Waldeslust"

Zutaten


(alles bio bzw. aus Wildsammlung - ergab 12 mittelgoße Stücke)

Mürbeteig
  • 75 g Einkorn, fein gemahlen
  • 75 g Aprikosenkerne, feingemahlen
  • 1 Pr. Salz, 50 g Rohrohrzucker, 75 g kalte Butter in Würfeln, 2 El. kaltes Wasser
Brombeermasse
  • 350 ml Brombeerpüree (Herstellung siehe Zubereitung)
  • 60 g Maisstärke
  • 150 ml Zitronensaft, 250 g Rohrohrzucker, 1/3 Tl. gem. Vanille, 75 g Butter in Würfeln
  • 3 Eigelb
Zubereitung


  1. Für den Teig alle Zutaten miteinander locker verkneten (ich benutze dafür ein - tja, wenn ich jetzt wüsste, wie das Ding heißt - na, eben so eine Art Einhand-Wiegemesser mit mehreren Klingen) und den Boden einer quadratischen Backform (23 x 23 cm) bzw. entsprechenden Springform damit auskleiden (mit der Hand). Form für mindestens 20 min in den Kühlschrank stellen. Backofen auf 175°C vorheizen. Teig mit einer Gabel mehrmals einstechen (damit evtl. vorhandene Luftblasen beim Backen entweichen können) und 20 min backen.
  2. Für das Brombeerpüree eine ausreichende Menge frische Brombeeren (genaues Maß habe ich vergessen zu nehmen) mit dem Pürierstab pürieren und durch ein Sieb oder Passiergerät passieren. Die übrig gebliebene feste Masse in ein Mulltuch geben und soviel Saft wie möglich noch herauspressen - diesen zum Püree geben.
  3. Von dem Brombeerpüree 350 ml abmessen (oder die übrigen Zutaten an die jeweilige Menge anpassen). Maisstärke mit soviel von dem Püree verrühren, bis eine glatte Flüssigkeit entstanden ist. Stärkemischung unter das Püree rühren.
  4. Übrige Zutaten bis auf das Eigelb mit der Brombeermasse verrühren und unter Rühren zum Kochen bringen, kurz aufwallen lassen. Topf von der Herdplatte ziehen.
  5. Eigelbe miteinander verquirlen und nach und nach 3 El. von dem Brombeerpüree unterschlagen. Eigelbmischung zum Brombeermus in den Topf geben und alles zügig mit einem Schneebesen mixen.
  6. Masse auf den Mürbeteigboden geben, glattstreichen und weitere 20 min bei 150°C backen. 
  7. Kuchen auskühlen lassen, aus der Form nehmen (lässt sich - mit z.B. Wachspapier bedeckt - auch gut stürzen und dann wieder auf eine Platte drehen) und am besten über Nacht im Kühlschrank fest werden lassen.
Guten Appetit!

Kommentare

  1. Ja, Brombeeren hatte es dieses Jahr reichlich. Wir haben 2 Mal Gelee gekocht und zum Glück habe ich auch noch eine Portion Püree eingefroreren. Ob ich die für deinen verlockenden Kuchen verwenden soll? Herrliche Pflückbeschreibung, übrigens. ich kam aus dem Schmunzeln gar nicht mehr heraus. :-)
    Ich bin unschlüssig. Es gibt eine neues, groß angelegtes Patisserieprojekt im Hause H. Ich habe endlich den ph10 von Pierre Hermé ergattern könen und die erste Torte daraus war eine echte Wucht und jetzt sind wir im Rausch... Aber vielleicht kann man zwischenzeitlich eine Fruchtschnitte einschieben. Mal sehen. Danke für das improvisierte Rezept auf jeden Fall!

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    1. Liebe Eva, herzlichen Dank für deinen netten Kommentar! Ich bewundere ja deine Tortenprojekte zutiefst (und habe sie mir trotz Zeitmangels auch immer angeschaut, nur zum Kommentieren bin ich nicht gekommen). Hier auf dem Dorf aber - und das genieße ich sehr - ist es immer gut, einen Kuchen parat zu haben: Es besteht jederzeit die Möglichkeit, dass mal jemand unverhofft vorbeikommt. Und da wären aufwändige Torten erstens etwas "overdressed" und zweitens zu zeitraubend neben meinem Job. Bei mir spielen Kuchen und Torten also auch eine wichtige soziale Rolle im Austausch von Besuchen, Gefälligkeiten oder Obsternten ;-)

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    2. Klar, das ist auch ein wichtiger Aspekt. Es kommt auch hier immer häufiger vor, dass die Nachbarinnen klingeln und neugierig nach der neuen Torte fragen. :-) Overdressed? Hmmm, ich weiß nicht, ist halt eine Spielart der Süßkunst und ich serviere ja auch nicht mit Blattgold oder ähnlichem dekoriert. Aber es stimmt schon, wenn ich für meine Familie backe (auf dem Land), dann auch eher "bodenständigere" Kuchen.

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    3. Mit "overdressed" meinte ich ja nur, dass doch die meisten Menschen so "richtige" Torten eher mit Fest- und Feiertagen verbinden. Und solche Torten im alltäglichen Angebot und in ihrer Funktion als soziales "Schmiermittel" würden sicher befremdlich daherkommen (weil sich jede Beschenkte dann denkt "oh Gott, wie soll ich mich dafür bloß revanchieren?").
      Aber deine "Spielart der Süßkunst" schätze ich dennoch sehr - und dass du deine Ergebnisse mit uns teilst, erst recht :-)

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  2. Hallo Antje!

    Leider hatten wir heuer auch kaum Himbeeren, fast keine Äpfel und nur ein paar mickrige Birnchen hängen am Baume. Zu den Brombeeren habe ich nicht so wirklich einen Draht - sagen wir mal so - ich mag die Himbeeren lieber. Das sieht so herrlich fruchtig und lecker aus, dass ich am liebsten gleich ein Stück davon verputzen würde (obwohl es mit Brombeeren ist!) Wie du ja auch schreibst, kann auch ich mir das mit Himbeeren sehr gut vorstellen - Mhm! Werde ich mal ausprobieren müssen!

    Wünsche dir noch einen schönen Abend und liebe Grüße!

    Kathrin

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    1. Ehrlich gesagt: Brombeeren standen auch bei mir nicht unbedingt an erster Stelle der Früchte-Hitliste. Gekauft habe ich mir früher (d.h. bis vor meinem Umzug aufs Land) nie welche. Aber Brombeeren direkt aus dem Wald, sonnendurchwärmte Früchte direkt vom Strauch genascht und dann die große Überraschung beim Ausleeren der Dosen: Brombeeren riechen intensiv nach Bananen. Habe ich nicht gewusst. Nie bemerkt. Aber nun verstehe ich, warum das Lexikon der Aromenkombinationen Bananen zu Brombeeren vorschlägt.
      Mit Himbeeren sind sie natürlich trotzdem nicht zu vergleichen. Aber sie haben ihren eigenen Charme (und ohne Kerne kommt der besonders gut zur Geltung). Übrigens: Um das Aroma der Brombeeren zu heben, kombiniere ich sie immer mit Zitrone und Vanille.

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  3. Wie abgefahren! Die Masse liest sich von den Zutaten her ein bisschen wie ein super leckerer Curd, und den Mürbeteig mit Aprikosenkernen und Einkorn, den würde ich auch zu gern mal probieren. Oder nein, lieber gleich den ganzen Kuchen. Fruchtiger geht glaube ich nicht. Großes Brombeerkuchen-Kino!
    Um die gut gefüllten Brombeerhecken hinter Deinem Haus beneide ich Dich - als wir in Rhein-Main unterwegs waren, war die Suche danach schon ein bisschen mühsam (und im Berlin Umnland müsste ich auf den Zufall hoffen). Lieben Gruß!

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    1. Die Ähnlichkeit zum Curd war mir auch erst hinterher aufgefallen - und dann wurde mir doppelt klar, wieso mir der Kuchen so gut schmeckt ;-)

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  4. Was für ein toller Brombeerkuchen....ich bin auch Sammler und Jäger...jedes Jahr aufs NEUE
    jede Menge Brombeeren. Dein Rezept werde ich mir mal abspeichern.

    Lieben Gruß
    Dagmar

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    1. Herzlichen Dank für dein dickes Lob - den Kuchen hatte ich schon fast vergessen. Danke, dass du ihn passend zur Saison wieder auf meinen Schirm geholt hast. :)

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