Fotografische Streifzüge ins Wortreich - Schneeglöckchen


Das Fest hat begonnen. Ab heute werde ich ein ganzes Jahr lang entdecken, welche Schätze in meinem Garten verborgen sind. Als ich ihn übernommen habe, wars ja fast Winter und ich habe - abgesehen von ein paar späten Herbststauden - keine Ahnung, was da auf meinen 1000 Quadratmetern in der Erde steckt. Die Nachbarn erzählen mir, dass die 2010 verstorbene Vorbesitzerin viel Schönes dort verbuddelt hat.

Heute also ist mein ganz persönlicher Tag 1 meines ganz persönlichen Gartenjahrs. Das Schneeglöckchen entdeckte ich, als ich telefonierend aus dem Fenster hinaus und in meinen Vor- bzw. Seitengarten hinein schaute. Ich mochte meinen Augen gar nicht trauen und als ich dann nach draußen flitzte, sah ich sie - die "Sommernarren", wie sie laut Hans Christian Andersen im Dänischen heißen. Und so war denn auch das Märchen "Das Schneeglöckchen" von H.C. Andersen das erste, was ich zu diesem Thema im Projekt Gutenberg fand:

...Und die Blume reckte sich und streckte sich drinnen gegen die dünne Schale, die das Wasser von außen her weich gemacht, die der Schnee und die Erde gewärmt und in die der Sonnenstrahl hineingestochen hatte. Sie schoß unter dem Schnee empor mit einer weißgrünen Knospe auf dem grünen Stengel, mit schmalen, dicken Blättern, die sie gleichsam beschützen wollten. Der Schnee war kalt, aber vom Lichte durchstrahlt, dazu so leicht zu durchbrechen, und hier traf sie auch der Sonnenstrahl mit stärkerer Macht als zuvor...
Der nächste Text ist aus der Kindergeschichte "Die Schloßkinder auf Rabenburg" von Josephine Siebe. Josephine Siebe hat von  1870 bis 1941 gelebt und war "eine populäre Kinderbuchautorin". Hmh, und wieder einmal merke ich, dass es gut tut, im Projekt Gutenberg zu stöbern - denn bis heute hatte sich die Popularität von J. Siebe noch nicht zu mir herumgesprochen.

... und unten auf dem Boden begann es zu grünen und eines Tages fand Gundula das erste Schneeglöckchen. Sie stimmte einen so hellen Jubelgesang an, als sie mit der kleinen weißen Blume in der Hand den Burghof betrat, daß nicht allein Justus herbeilief, auch Frau Susanne kam und die Köchin steckte den Kopf weit aus dem Küchenfenster heraus. »Was rief das Kind, was war es nur?« »Ein Schneeglöckchen!« ...
324 Treffer ergab übrigens meine Suche nach dem Schneeglöckchen im Projekt Gutenberg. Da kann meine Auswahl natürlich nur eine seeehr begrenzte sein. Ich lasse mich leiten von bekannten und unbekannten Schriftsteller(inne)n - und ich wähle abwechselnd Mann und Frau. Auf E.T.A. Hoffmann war ich neugierig. In seinen "Letzten Stücken" (im Kapitel "Datura Fastuosa - Der schöne Stechapfel") verrät er uns den botanischen Namen der hübschen Pflanze:

... Sag' einmal, Gretchen, was sind das für Pflanzen dort in jenen Töpfen, die nun bald blühen werden?« »Ja!« rief Gretchen freudig, »das sind ja meine lieben Schneeglöckchen!« »Siehst du«, sprach Eugenius weiter, »siehst du nun wohl, Gretchen, daß du nicht einmal deine Lieblingsblumen richtig zu benennen weißt! Galanthus nivalis mußt du sagen.« – »Galanthus nivalis«, sprach Gretchen leise nach, wie in scheuer Ehrfurcht. – »Ach, lieber Herr Eugenius!« rief sie dann aber, »das klingt sehr schön und vornehm, aber es ist mir so, als wenn das gar nicht mein liebes Schneeglöckchen sein könne...
Mein letzter Textausschnitt für heute kommt von Wilhelmine Heimburg, mit bürgerlichem Namen Emilie Wilhelmine Bertha Behrens. In Ihrem Roman "Aus dem Leben meiner alten Freundin" beschreibt sie das Schneeglöckchen so, wie ich es morgen oder übermorgen zu sehen hoffe (und dann sicher noch einmal fotografieren werde). Heute war ich so fasziniert, dass ich das Glöckchen erst einmal noch ohne Röckchen in die Kamera gelockt habe.

... An den Bäumen und Sträuchern zeigte sich ein heller, grüner Schimmer, und vor meinem Fenster stand der kleine pausbackige Müller-Gottlieb und hielt mir jubelnd einen Strauß Schneeglöckchen entgegen, soviel wie seine Händchen kaum fassen konnten. Ich nahm sie in Empfang, die reizenden, kleinen Frühlingsboten mit den goldenen Spitzen an ihren weißen Blütenglöckchen, wie eine glückliche Vorbedeutung erschienen sie mir, sie verkündeten der Natur das Erwachen aus ihren Wintersorgen. Oh, möchten sie auch meinem Herzen einen Lenz bedeuten! ...
Die Serie "Fotografische Streifzüge ins Wortreich" wird in lockerer Reihenfolge fortgesetzt. Bisher erschienen:

Kommentare

  1. Das wird eine spannende Reise.. :)

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    1. Oh ja. Sie ging schon heute weiter: Der Schnee ist jetzt fast weg und zum Vorschein kamen die ersten Ansätze vom Rhabarber und so hübsche kleine Blätter, die wie Schlüsselblumen aussehen. Ich kann es kaum fassen, was da unter dem Schnee im Verborgenen alles passiert :))

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  2. Ira Februar 17. 2o13 23.11 abends

    Ich wünsche Dir viele Entdeckungen im kommenden Jahr und
    uns viele Bilder,Gedanken von Dir und Märchen und Gedichte
    für Deine wunderschöne Serie.
    Danke Antje, Ira

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    1. Mit solchen schönen Komplimenten machen die fotografischen/literarischen Streifzüge ja noch mehr Spaß. Danke!

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