Bis der Kleiderschrank mit mir redet...

... werde ich mich wohl noch ein paar Jahre quälen müssen mit der ewig wiederkehrenden Frage "Was ziehe ich an?". Doch es gibt Hoffnung.

Heute war wieder so eine Situation, in der ich mich frage: Lebe ich  lange genug, um das noch erleben zu dürfen?

In einer meiner Lieblingszeitschriften - brand eins - las ich heute den Artikel "Digital ist überall - über das Internet der Dinge" von Peter Glaser. Das Thema ist ja nicht ganz neu und vielen schon bekannt durch die Postpakete, deren Wege vom Versandhandel bis zu uns nach Hause per Internet nachvollziehbar sind (wobei ich mich dann schon mal frage, was die eigentlich treiben, wenn sie tagelang vermelden "an das Logistikunternehmen übergeben" oder so ähnlich). Na, egal - darum gehts mir jetzt hier gar nicht.

Mir gehts um die Faszination, die solche Innovationen auf mich ausüben - das klappt nicht ganz ohne bedenkenträgerisches Kopfwiegen ob der möglichen Risiken, aber doch erstmal positiv neugierig.

Peter Glaser beschreibt darin u.a. ein Projekt, das zur "Natural Interaction" des Italieners Alessandro Valli gehört. Der Grundgedanke: Lass die Besucher/innen des Museums "Palazzo Medici Riccardi" in Florenz den Freskenzyklus " Reiterzug der Heiligen Drei Könige" von Benozzo Gozzoli interaktiv erleben, in dem sie mit dem Finger auf interessante Ausschnitte der Fresken zeigen und - projiziert auf eine Leinwand - ebenso interessante Informationen dazu erhalten. Eine sehr schöne Beschreibung des Projekts hat TheGuardian bereits im November 2004 veröffentlicht.

Sehr eindrucksvoll auch das Plakat von Amnesty International gegen häusliche Gewalt "Es passiert, wenn niemand hinsieht": Beim genauen Betrachten des Plakats verändert sich das abgebildete einträchtige Pärchen in einen Mann, der auf die Frau einschlägt. Möglich wird das durch ein so genanntes Facetracking-System (ja, die Gefahren dieser Technologie sind mir bewusst - das Plakat hätte ich trotzdem gern ausprobiert).

Weniger ansprechend finde ich die Vorstellung von winzig kleinen Micro-Chips (RFID-Chips), die Lebensmitteln injiziert werden (NutriSmart) - damit wir dann das Stück Käse direkt fragen können, woher es kommt, was es enthält und wie lange es haltbar ist. Die Chips werden nämlich mitgegessen. Und vielleicht hat mein Sitznachbar in der U-Bahn gerade zufällig einen RFID-Reader dabei? Das geht den schließlich überhaupt nichts an, was ich gerade gegessen habe!

Naja, und in diesem Zusammenhang blättert sich natürlich auch ein ganzes Buch voller Fragen auf, wenn ich über die Möglichkeiten der Überwachung von Menschen denke...

Aber die Idee mit dem sprechenden Kleiderschrank wiederum hats mir echt angetan: Die Klamotten speichern dank eines Funkchips und "nach einer Lernphase" Informationen darüber, was ich wann zu welcher Gelegenheit getragen habe. Der Dank für mein Vertrauen in die Selbstständigkeit meiner Garderobe sind dann wertvolle Tipps, falls ich mich wieder mal nicht entscheiden kann.
Das System kann frau sich natürlich schenken, wenn  der Inhalt des Kleiderschranks alle halbe Jahr rundumerneuert wird. Da der Inhalt meines Kleiderschranks aber überwiegend auf kostbarem Rohmaterial basiert, das von glücklichen Seidenraupen, öko-fröhlichen Schafen und pestizid-abstinentem Leinen bzw. kbA-zertifizierter Baumwolle stammt, überdauern meine Klamotten immer mehrere Saisons.

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