Ein Logo für Menschenrechte: Eine gute Idee wird zum Kampf ums Ego

Heute Morgen im Radio hörte ich es nur am Rande: Von nun an gibt es ein Logo für Menschenrechte. Ein Logo, das so eindeutig für Menschenrechte steht wie das Herz für die Liebe oder die Taube für den Frieden. Klingt gut, dachte ich. Muss ich mir anschauen.

Bei meiner Recherche stieß ich als erstes auf eine Kolumne in der WELT, Autor: Henryk M. Broder, Titel: Ein Logo für Guido. Häh? Nun wurde ich richtig neugierig. War ich doch bisher davon ausgegangen, dass es sich um eine Initiative der UNO handelt, so lernte ich nun: Es handelt sich um eine “Privatinitiative”. Naja, so richtig privat irgendwie nicht, aber zumindest auch nicht richtig offiziell. Initiiert und koordiniert vom Auswärtigen Amt (Guido Westerwelle eben) und neun weiteren Staaten wie z.B. Uruguay oder Mauritius, gesponsert von Unternehmen wie Google, bewertet von einer prominent besetzten Jury , z.B. Ai Weiwei, Jimmy Carter, Michail Gorbatschow oder Waris Dirie. Ach ja, und inszeniert vom deutschen Außenminister - hübsch bissig beschrieben von Henryk M. Broder (s.o.).

Na ja, Rumhacken auf dem Außenminister ist ja derzeit Volkssport, also bewertete ich das nicht zu hoch, sondern freute mich trotzdem an dem - wie ich finde - gelungenen Siegerlogo. Bis ich genauer hinschaute und feststellte, dass das Logo auch mit einem Titel versehen ist, der leider mit gewonnen hat: “Free as a man.” Na großartig. Jahaa, ich weiß, dass “man” auch für “Mensch” steht und nicht nur für “Mann”.

Aber ich behaupte, für die meisten Menschen auf dieser Erde, die Englisch nicht als Muttersprache gelernt haben, bedeutet das eben doch nur “Mann”.

Jetzt wurde ich richtig neugierig. Also buddelte ich weiter nach Hintergründen zu dem Logo - und stieß auf eine interessante Seite. Der Design Bote, ein “Fachblog mit Nachrichten zuneuen Bewegungen im Design” stellte die 10 Logos aus der Endausscheidung kurz vor, verwies dabei aber auf die 15 zum Teil sehr ausführlichen Kommentare dazu. Und darin offenbarte sich das ganze Elend dieses Wettbewerbs bzw. des Auswahlverfahrens. Per “Crowdsourcing” sollten aus 15.369 eingesandten Entwürfen zunächst die Top 100, dann die Top 10 und schließlich das Siegerlogo gewählt werden. Mein Eindruck: Das war ein einziges Hauen und Stechen mit allen lauteren und unlauteren, teils anrüchigen Methoden, um das eigene Logo nach oben zu spülen. Eine unrühmliche Rolle soll dabei auch die offizielle Facebook-Seite zur Aktion gespielt haben.

Schade, schade. Durch die fragwürdige Umsetzung wurde ein gute Idee offenbar von vielen Kreativen nicht zum engagierten Einsatz für Menschenrechte genutzt sondern zum Kampf um den eigenen Entwurf. Mir scheint, die Idee wurde nicht von allen verstanden.

Ergänzung [11.03.2012]: Heute ist mir das Logo zum ersten Mal im Einsatz begegnet - auf einem Demo-Aufruf der Europa-Union zur Lage in Ungarn. Bei dem Foto handelt es sich um einen Screenshot-Ausschnitt von der entsprechenden Internetseite der Europa-Union. Das Logo hat für mich jedenfalls einen hohen Wiedererkennungseffekt - nun hoffe ich aber, dass es nicht von einer Partei allein in Anspruch genommen wird.

Kommentare

  1. Hallo,
    genau das (menschlicher Egoismus) war das Grundproblem. Da hat man mal eine Möglichkeit, mit anderen Menschen zusammen etwas wirklich Gutes und Sinnvolles zu tun, stattdessen denken einige Leute nur (erfolgreich!) darüber nach, wie sie siegen und sich Stimmen verschaffen können, und wird das ganze Event dann noch mit vielen klingenden Namen geschmückt. Die wahren Helden sind die zahllosen Teilnehmer, die sich um der Sache willen mit manchmal sicher einer Menge Zeit und Engagement eingebracht haben.

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  2. Ein bisschen habe ich auch das Gefühl, dass die Verantwortlichen für den Wettbewerb nicht wirklich mit den Instrumenten umgehen konnten, die sie zur Siegerkür ausgewählt hatten (oder die falschen Instrumente benutzt haben).

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  3. Ich denke, die Instrumente waren falsch. Man kann nicht mit einer anonymen (Abschluss-)Abstimmung (ich hätte doch in der Schlussphase x-mal für mein Lieblingslogo stimmen können, das hätte niemand gemerkt) darüber entscheiden, welcher Entwurf für ein weltweites, wichtiges Anliegen sinnvoll ist. D.h., so anonym war die Sache ja nicht, jeder wusste, aus welchem Land die Top-10-Ideen kamen (z.T. inklusive Namen der Personen), da kann dann neben Facebook-Freundschaften hier und da auch Patriotismus eine große Rolle gespielt haben – so ganz theoretisch betrachtet ...
    Ansonsten: Kann man es den gutwilligen und bestimmt auch engagierten Leuten von außerhalb, die wählen, ohne Sinn und Zweck der Aktion wirklich mitbekommen zu haben, verdenken, dass sie sich ein richtig toll aussehendes Logo aussuchen (selbst wenn es einer Friedenstaube ähnelt)? Nein. Nur dass eigentlich ein einfaches Symbol gesucht wurde, das jeder in jeder Größe schnell nachmalen kann. Bitte mal vormachen, liebe Jury-Mitglieder.

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  4. Von dem Anspruch, das Logo solle so einfach sein, dass jede/r es ganz leicht nachmalen könne, hatte ich erst gelesen, nachdem ich zum Siegerlogo spontan und in Gedanken schon "gefällt mir" gesagt hatte. Beim späteren Versuch, das Logo dann wirklich nachzuzeichnen, bin ich kläglich gescheitert - das sieht immer aus wie ein aufgeplusterter Hühnerhahn. Sehr schade.

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  5. Viele Leute haben wahrscheinlich auch erst einmal "Gefällt mir, schön gezeichnet!" gesagt, was ich auch wirklich nachvollziehen kann.
    Dasselbe Problem wäre im Übrigen auch noch bei weiteren Ideen unter den Top 10 (und Top 100 in der Vorstufe) aufgetreten. Entschuldigung, aber man fragt sich doch: Hat die berühmte Jury mit so vielen klingenden Namen die Regeln (den Sinn) des Wettbewerbs nicht mitbekommen? Gerade Personen, die sich für Menschenrechte engagieren, sollten doch wissen, dass es in zahlreichen Ländern auf einfache Zeichen ankommt. Nicht jeder kann schönes Briefpapier mit Logo in Auftrag geben... Nun ja, die Jury hat ja offenkundig auch nichts von den Diskussionen um die Abstimmungsregeln mitbekommen.
    Schwamm drüber, aus und vorbei.

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  6. Nachsatz: Zitate
    Facebook, 23.09.
    "Menschenrechtsbeauftragter Markus Löning:
    heute Abend wird hier der Gewinner verkündet... war vorhin mit den Designern der drei Top-Entwürfe und drei Jury-Mitgliedern essen... heute Abend großes Event, freue mich sehr drauf. Immerhin 130.000 Leute aus der ganzen Welt haben mit abgestimmt..."
    Kommentar darunter 26.09.
    "weder auf meine Anfrage per mail, noch hier in fb, bekam ich bisher eine Auskunft von Herrn Löning, was er denn in Sachen Troy Davis getan habe. So eine Wettbewerb kann mir wirklich gestohlen bleiben."

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  7. Wahrscheinlich haben auch die prominenten Jury-Mitglieder die Aktion in erster Linie unter PR-Gesichtspunkten gesehen - PR in eigener Sache und nicht etwa PR für die Menschenrechte.
    Herzlichen Dank übrigens für Ihre Bereicherung meines Beitrags!

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  8. Gerne, obwohl ich lieber etwas Positiveres geschrieben hätte.
    Was die Jury angeht, habe ich denselben Verdacht wie Sie (leider). Dass ein Jurymitglied dann auch noch vor Ende des Wettbewerbs mit netten Äußerungen wie der: »Ich kann nur hoffen, dass die ersten Plätze nicht doch an einen Profigrafiker aus einem westlichen Land gehen, denn dann wäre das Geschrei gleich wieder groß.« (Habe ich auf der Website des HRL unter News: Q + A gefunden) an die Öffentlichkeit tritt, ist schon, nennen wir es, kurios. Man stelle sich vor, bei einem örtlichen Architektenwettbewerb erklärt ein Entscheider der örtlichen Presse, er hoffe doch sehr, dass das Architektenbüro X den Auftrag nicht bekommen werde...
    Tja, das sind Geschichten, die das Leben schreibt.

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  9. Die Äußerung des Jurymitglieds klingt für manche vordergründig wahrscheinlich "nett gemeint" - wer nicht ganz so wohlwollend hinschaut, könnte auch auf die Idee kommen, die Person sei "westlich überheblich". Manchmal wird so etwas zu Recht auch "positiver Rassismus" genannt (Beispiel: http://www.taz.de/1/archiv/archiv/?dig=2006/08/18/a0115)

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  10. Ich weiß nicht, warum das Jurymitglied sich so geäußert hat, kann aber verstehen, dass die "westlichen Profigrafiker" not amused darüber waren. Das Statement zeigt auf jeden Fall, dass die Herkunftsländer der Logos offenbar doch zur Kenntnis genommen worden sind (= sachfremdes Kriterium), etwas, das einige Beobachter ja auch vielen Personen, die in der Schlussabstimmung gewählt haben, unterstellt haben. Der weltweite Wettbewerb war bestimmt nicht in allen Ländern gleichermaßen bekannt. Dass Länder, die "in der Top 10 waren", besonders viel gewählt haben, darf man wohl getrost unterstellen. Da sind wir wieder bei den schwierigen Wettbewerbs-Regeln. Ich gebe zu, einige der auftauchenden Probleme wären mir vor dem Wettbewerb vielleicht auch nicht so in den Sinn gekommen. Ich hoffe, man lernt wenigstens daraus für künftige Projekte.

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  11. www.fontblog.de Zitat:

    Albert:
    Insgesamt wäre es ohnehin egal gewesen welche der 15000 Einsendungen gewonne hätte. Es haben sich ja alle mal mit dem Thema beschäftigt, wir haben festgestellt das Menschenrechte wichtig sind und man sich immer mal wieder damit beschäftigen sollte.

    Gut, ist halt ein symbolischer Akt über den in zwei Wochen keiner mehr redet (ach was rede ich da, jetzt schon nicht mehr). Auch über die Unsauberheiten des Wettbewerbes.

    Für mich ist dieser Wettbewerb eine miniaturisierte Form eines ideologischen Gedankengebildes. Es war interessant zu sehen wie die Initiatoren mit der Kritik an ihrer kleinen Utopie umgegangen sind. Da hat sich im Wasserglas doch einiges wiederholt das im Grossen identisch abläuft.

    Kritiker ignorieren, keine argumentative Diskussion, Ausnutzung der eigenen Grösse um einfach seine Auffassung der Tatsachen durchzusetzen. Und klar, anstatt den Wettbewerb aus Sinnlosigkeit abzusagen, muss natürlich bis zum Ende durchgezogen werden was einmal begonnen worden ist, auch wenn die Aktion ab einem gewissen Punkt ihr eigentliches Ziel nicht mehr erreichen kann.

    Hätte man doch den Wettbewerb umgewandelt ein eine offene Diskussion darüber, wie man Menschenrechte real umsetzen kann. Hätte man Ideen entwickelt und viel gesprochen über das, was in der Welt schief läuft, dann hätte sich vielleicht sowas wie eine Bewegung entwickeln können. Aus dieser wäre vielleicht auch ein Symbol erwachsen das genau so einen Nährboden braucht.

    Nun ist es aber so, dass alle nach getaner arbeit, müde vom Händeschütteln und Schulterklopfen und Abstimmen wieder zurück in ihre eigene Wirklichkeit zurückkehren. Mit etwas Glück kleben sich vielleicht ein paar Menschen irendwann zu ihrem Fisch auch einen Vogel aufs Auto.

    So vieles war an dem Wettbewerb unglücklich, angefangen von Westerwelle der in der Lybienthematik versagt hat und durch seine unbeliebtheit auch deutlich ungeeignet für einen solchen Job ist, über das Crowdsourcing (Hoffnungsausbeute) und am Ende auch noch ein Nobelrestaurant in NewYork auszuwählen ist symbolisch gesehen schon etwas fragwürdig und offenkundig unüberlegt… Es fehlten noch die anschliessende Freilassung von Friedenstauben am Groundzero). Ach ja, die finanzielle Transparenz fehlte vollständig. Was hat die Aktion denn an Kohle verschlungen, oder darf man solche Fragen nicht stellen wenn es um so hohe Themen geht?

    Es wäre final dennoch interessant, wenn man einige, vielleicht auch selbstkritische, Stimmen zu dem ganzen Projekt vernehmen könnte. Glaubt Herr Spiekermann wirklich das, dass ganze wirklich sinnvoll und gelungen war? Glaubt die Jury wirklich das man etwas bewegt hat? Kann hier jemand was mit dem Begriff “Gutmenschentum” anfangen und erkennt parallelen zu dieser Aktion? Hat die Aktion eine messabare Wirkung oder verbleibt es bei einem positiven herumgeschwurbele?

    Ich weiss, das ist hier der Fontblog und den Werbegrafiker wird eher interessieren wie man selber mal in den Kreis der priviligierten Ansprechpartner aufgenommen wird denen man solche Aktionen anträgt, nicht der Ort für “wirkliche Welt”. ...

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  12. Genau das kommt dabei raus, wenn man glaubt, mal eben durch einen Wettbewerb zu einem berührenden Thema ein wenig Image-Politur betreiben zu können. Und es ist ja auch alles so einfach - man braucht nur ein bisschen SocialMedia und dann wird das eine tolle Aktion.

    Ich habe das Gefühl, dass diese Aktion ein "Schnellschuss" war, der viele Promis begeistert hat zusagen lassen (wer schmückt sich nicht gern mit seinem Engagement für Menschenrechte?) - der aber überhaupt nicht durchdacht, geschweige denn konzeptionell geplant war.

    Dass man die Möglichkeiten der SocialMedia auch nutzen kann, um Menschen (gleichzeitig) für das Thema zu gewinnen, hatte wohl niemand auf dem Schirm.

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  13. Beschäftige mich gerade mit der Rückseite der Fan- und Like-Kultur. Es gibt hübsche Werkzeuge, um die eigenen Produkte ganz weit nach vorn zu bringen: http://www.affiliape.de/facebook-auto-like-automatisch-fans-generieren/02/2011/ Mein Fazit: Trau keiner Online-Abstimmung, die du nicht selbst gefälscht hast.

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