Geniale Inszenierung von Woyzeck - Dank an zwei Spitzenfrauen

Gestern Abend war es mal wieder soweit: Ich saß im Thalia Theater in Hamburg und war gefesselt - vom Stück, von der Inszenierung, von den Schauspieler(inne)n und überhaupt von diesem Theatererlebnis an sich. Als ich endlich klatschen durfte, war das eine gleichermaßen ersehnte und gefürchtete Befreiung von hochgradiger Spannung von der ersten bis zur letzten Sekunde des "Woyzeck" - nach Georg Büchner in der Inszenierung von Robert Wilson mit der Musik von Tom Waits.

Noch in der Nacht konnte ich nicht widerstehen und vor dem Einschlafen statt meines Buchs das Smartphone als Lektüre zu nutzen und ein bisschen mehr über das Stück herauszufinden. Dabei fiel mir plötzlich auf, dass ich diesen Woyzeck ausschließlich mit den Herren Wilson, Waits und Büchner verbunden hatte - nicht aber mit den Damen Brennan und Steckel. Das ändere ich jetzt hier und gleich:

Regisseurin des Musicals?Theaterstücks? ist Jette Steckel. Diese Frau hat eine grandiose Arbeit geleistet: Jeder Schritt, jede Bewegung, jede Geste, jedes Wort, jede Note war genau da, wo sie hingehörte. Selbst zu Hause bei Wein und ausführlicher "Nachbesprechung" war kein Bruch in der Inszenierung zu finden und der Zauber der Aufführung wirkte lange nach. Das Stück war für mich Poesie pur (dabei alles andere als seicht, manchmal schräg, manchmal laut, immer spannend). Und was ich bei Regisseur(inn)en besonders schätze: Es war egal, ob die Zuschauer/innen das Stück / die Handlung / die Vorgeschichte / den Text schon kannten oder nicht: Jette Steckel hat es geschafft, alle zu begeistern. Ich hasse es nämlich, wenn ich das Gefühl habe, dass der Regisseur seinem Publikum ganz absichtlich vorwirft, z.B. den MacBeth vorher nicht komplett gelesen zu haben und deshalb das Stück auch nicht zu verstehen.

Die zweite Frau, die den Erfolg dieses Stückes mitverantwortet (uraufgeführt wurde es schon im Jahr 2000 in Kopenhagen), ist Kathleen Brennan. Sie hat zum großen Teil die Songtexte geschrieben. Es ist nicht leicht, über diese Frau etwas herauszufinden, da sie (nach Aussagen ihres Ehemannes Tom Waits) eher publikumsscheu ist und lieber hinter den Kulissen arbeitet. Ein englischsprachiger Blogger hat im September 2010 dankenswerterweise so ziemlich alles - soweit ich das beurteilen kann - zusammengetragen, was sich öffentlich über Kathleen Brennan finden ließ. Dem habe ich leider nichts hinzuzufügen. Doch, eines doch: Soweit ich die Texte verstanden habe, lohnt es sich, auch künftig bei dem Namen Kathleen Brennan aufzuhorchen.

Ich könnte jetzt noch mehr über tolle Frauen erzählen, die mich gestern schwer beeindruckt haben - die Schauspielerinnen Franziska Hartmann und Gabriela Maria Schmeide oder die Dramaturgin Susanne Meister zum Beispiel... Nächstes Mal vielleicht. Bin sowieso gerade dabei, ab und zu und ganz absichtlich ungewohnte Perspektiven einzunehmen - und es reizt mich, auch künftig genauer auf die Spitzenfrauen neben den zuerst genannten Männern zu achten.

Solltet ihr - wo auch immer - die Gelegenheit haben, den Woyzeck in dieser Inszenierung zu sehen: Tut es!

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